Tagung „Streitkulturen“

Streitkulturen – Medienethische Perspektiven auf gesellschaftliche Diskurse

Es wird im digitalen Zeitalter immer einfacher, Informationen zu verbreiten und zu nutzen. Debatten- und Öffentlichkeitsräume erweitern sich. Mediendiskurse sind im Wandel begriffen und unterliegen permanenten Veränderungen, die auch aus einer medienethischen Perspektive höchst relevant sind. Es gilt zu prüfen, inwiefern derartige Diskurse den normativen Anforderungen eines respektvollen Miteinanders genügen, an welchen Stellen Überschreitungen und Grenzverletzungen der „guten Sitten“ zu beobachten sind, welche Akteure sich auf welchen Medienforen in welcher Weise öffentlich artikulieren und welche Folgen dies aus einer medienethischen Perspektive haben kann. Grundsätzlich herrscht in vielen Fällen ein Spannungsfeld zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und den damit ggf. eingehenden negativen Konsequenzen für die Betroffenen vor, zumal vielfach auch mit Klischees, Vorurteilen, Stereotypen und unzulässigen Verallgemeinerungen im Rahmen von Diskursen gearbeitet wird.

Ein auf Verständigung und begründeter Argumentation basierender Diskurs, bei dem es keinen Zwang, „außer dem Zwang des besseren Argumentes“ (Jürgen Habermas) gibt, wird durch Provokationen, Polemik und Populismus ersetzt. Hier liegen Mechanismen der politischen Auseinandersetzung vor, die über einen hohen Nachrichtenwert verfügen und entsprechende mediale Anschlussdiskurse generieren (können). Zentral ist zudem, dass sich das Spektrum der Diskursteilnehmerinnen und Diskursvermittlerinnen erweitert hat. Journalistinnen und Journalisten habe ihre dominierende Rolle beim Agenda-Setting verloren. Im Internet erreichen Parteien und politische Interessensgruppen über eigene Kanäle die Öffentlichkeit, ohne auf traditionelle journalistische Medien angewiesen zu sein. Es bilden sich zunehmend homogene Interessen, Weltbilder und Einstellungen heraus, die meinungskonsonante Nachrichten präferieren und weiterverbreiten. In zahlreichen Foren werden primär die eigenen Meinungen, Haltungen und Positionen weiterverbreitet.

Polarisierende Diskurse, die auch Desinformationen verbreiten, können die Folge sein. Journalistisch ungeschulte Bürgerinnen und Bürger agieren als „Prosumer“ von Medieninhalten und beteiligen sich an öffentlichen Diskursen ebenso wie Satirikerinnen und Satiriker, die die Grenzen zwischen Kunstfreiheit und Schmähkritik ausloten. Populismus, Provokation, Polemik und Tabubruch prägen neben Beschimpfungen auch öffentliche Debatten. Es stellt sich die Frage wie eine vernünftige, verständigungsorientierte, ernsthafte, respektvolle, tolerante und demokratische Kommunikation unter veränderten digitalen Bedingungen aus einer normativen Perspektive bewerkstelligt werden sollte, um Konflikte konstruktiv zu bewältigen.

Die sich entwickelnden Kulturen der Digitalität haben in den vergangenen Jahren die gesellschaftliche Streitkultur – insbesondere in der digitalen Kommunikation – vor grundsätzliche neue Herausforderungen gestellt. Die Tagung möchte diese Herausforderungen, die auch mit der Digitalisierung der Kommunikation für die gesellschaftliche Streitkultur einhergehen in einen breiten wissenschaftlichen Horizont stellen.

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