Nachhaltigkeit

Second Life Fashion – Wie ein Startup alten Kleidern zu neuem Leben verhilft

Vergangene Woche fanden die Nachhaltigkeitstage an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg statt. In der von „sneep“ organisierten und mehrere Tage andauernden Veranstaltungsreihe wurden Podiumsdiskussionen, Workshops und Vorträge zu den Themen Wirtschaft, Klima und Fashion angeboten. Beteiligt haben sich dabei nicht nur große Unternehmen wie H&M, BMW und Adidas, sondern auch das kleine Startup Second Life Fashion, das sich mit einem einzigartigen Geschäftsmodell gegen den blinden Konsum und für eine nachhaltige Zukunft verschrieben hat.

Das billige Geschäft mit „Fast-Fashion“
Wer häufiger bei den großen Modeunternehmen einkauft, dem mag dreierlei auffallen: Die schnell wechselnden Kollektionen, die Schaufensterpuppen und Kleiderständer zieren, der niedrige Preis, der den Kauf zur Pflicht werden lässt, und schließlich die ersten kleinen Löcher, mit denen die erst kürzlich gekaufte Ware ihr Leben aushaucht.
Vor allem Textilriesen wie H&M, Forever21 oder Zara setzen auf das Geschäftsmodell „Fast-Fashion“. Durch eine hohe Fluktuation schnelllebiger Billig-Kollektionen sollen die Kunden dazu bewegt werden, die Filialen immer häufiger zu besuchen, um sich auf die vermeintliche Schnäppchenjagd zu begeben. Das Ziel: Gewinnmaximierung.
Der Gebrauchsartikel Kleidung wird zum Verbrauchsartikel degradiert, was dazu beiträgt, dass in Deutschland jedes Jahr ungefähr 750.000 Tonnen an alten Kleidern weggeworfen werden.
Von der Idee zum Startup
Um diesem verschwenderischen Trend entgegenzuwirken, gründeten die beiden Jungunternehmer Lisa und Florian Hagn 2016 ihr gemeinsames Startup Second Life Fashion. Für Lisa Hagn wurde damit ihr Hobby zum Beruf. Schon vor der Gründung ihrer eigenen Firma verkaufte sie ihre alten Kleider auf Modeplattformen wie Kleiderkreisel und ging dann dazu über, die gebrauchten Stücke ihrer Freunde für eine kleine Provision zu verkaufen. Damit war die Geschäftsidee war geboren.
Das Geschäftsmodell – Ein Win-Win-Win-Projekt
Gebrauchten Kleidern ein zweites Leben schenken. Eine Idee, die zunächst ziemlich simpel wirkt, in der jedoch weitaus mehr steckt: Die jungen Unternehmer haben es sich zur Aufgabe gemacht, das schäbige Image von Second Hand Kleidung zu revolutionieren und das auf eine Art, durch die alle profitieren. So bilden nicht nur gespendete Kleider das stetig wachsende Sortiment von Second Life Fashion. Anders, als dessen Konkurrenz, ist das Startup dazu bereit, Kleidung in Mengen ab 15 Stück deutschlandweit zu einem verhandelten Preis anzukaufen, wofür es darüber hinaus auch die Versandkosten übernimmt.
Bevor die Ware aber zum Verkauf angeboten werden kann, wird sie auf ihre Qualität geprüft. Was Flecken oder Löcher hat, unangenehm riecht oder unvollständig ist, wird an den Absender zurückgesendet. Auch das gehört zur Geschäftsidee: Damit Second Hand Kleidung langfristig ein besseres Image erhält, werden nur ehemals teure Markenstücke für den Verkauf angeboten, die in einwandfreiem Zustand sind.
Wenn die Spenden die strengen Kriterien erfüllen, werden sie anschließend etikettiert, aufbereitet und für den Onlineshop fotografiert. Dabei werden manche Stücke direkt zu kompletten Outfits zusammengestellt, was beweist, dass sich guter Style und Second Hand Mode in der richtigen Kombination nicht widersprechen müssen. Entscheidet sich eine Kundin dann für das Angebot, wird die Bestellung in einem letzten Schritt vorbereitet und ökologisch nachhaltig verpackt. So wird ungeliebter Kleidung ein neues Leben geschenkt, die Käufer erfreuen sich an schöner und nachhaltiger Kleidung und auch der Umwelt wird durch eine möglichst geringe Belastung ein Gefallen getan. Eine Win-Win-Win-Situation!

Sebastian Brünnel, 1. FS
3. Dezember 2018 

Nachhaltigkeit – inzwischen nur noch eine Worthülse?

Die Nachhaltigkeitstage der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg finden in diesem Jahr vom 26. bis 28. November statt. Initiiert haben das Projekt Studierende der Lokalgruppen von „student network for ethics in economics and practice“, kurz „sneep“. Angeboten werden Workshops, Vorträge und Podiumsdiskussionen zu den Themenbereichen Wirtschaft, Klima und Fashion. Wie sieht es aus mit der Nachhaltigkeit bei H&M? Wird die Ware so produziert, dass es ethisch und ökologisch vertretbar ist, sie zu kaufen? Auch auf so konkrete Fragen werden in einem Workshop Antworten gegeben und diskutiert.

Nachhaltigkeit als Prinzip der Verantwortung

Was bedeutet Nachhaltigkeit eigentlich? Laut Duden ist es “ein Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann.“ Es geht also um den Umgang mit endlichen Ressourcen. Dieser betrifft sowohl die Produktion in großen Unternehmen als auch die VerbraucherInnen, die auf dem freien Markt eben auch die freie Wahl haben. Wir alle treffen jeden Tag Entscheidungen, die nicht nur Auswirkungen haben auf uns, sondern vor allem auf das, was nach uns ist.
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Prinzip, das den Verbrauch regelt, sondern vor allem ein „Prinzip der Verantwortung“, das bereits der Philosoph Hans Jonas angelehnt an Kants Kategorischen Imperativ im Jahr 1979 formuliert hat: „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf der Erde“. Bis heute kann diese Maxime ein guter Entscheidungsfinder sein.

Die Modebranche in der Kritik 

Vor allem die Modebranche stand und steht enorm in der Kritik. Seit den ersten Fabrikbränden in Bangladesch und anderen Ländern mit vielen Todesopfern wird der Branche vorgeworfen, keine Verantwortung für die Produktion der Ware zu übernehmen, mit der sie handelt. Am Pranger stehen vor allem Fast-Fashion-Konzerne wie Primark, Zara und H&M. Die Vorwürfe lauten: unzumutbaren Arbeitsbedingungen für NäherInnen im fernen Asien, Hungerlöhne, die nicht einmal das Existenzminimum sichern, Umweltbelastungen für Mensch und Natur. Nichts scheint abwegiger als der Gedanke, dass sich gerade solche Unternehmen mit nachhaltiger Produktion rühmen. Auf der Homepage von Primark beispielsweise aber kann man nachlesen, dass die Produkte mit Achtung vor dem Menschen und der Umwelt hergestellt würden. Wie passt das zusammen und wie soll das funktionieren? Seit 2017 sind größere Unternehmen dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Es ist vor allem aus medienethischer Sicht interessant, zu beobachten, wie sich die Verwendung des Begriffes Nachhaltigkeit immer weiter entfernt von dem, wofür er eigentlich steht, nämlich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Umwelt.

Für das schwedische Textilhandelsunternehmen H&M (Hennes & Mauritz) ist das kein Widerspruch: Ein dialogorientiertes Konzept zwischen Management und ArbeiterInnen soll helfen, faire Löhnen zu realisieren. Nach eigenen Angaben klärt der Konzern die NäherInnen über ihre Rechte und ManagerInnen über ihre Pflichten auf. Demokratische MitarbeiterInnen-Vertretungen sollen die Stimmen der ArbeiterInnen stärken.

Konkrete Ziele, schwammige Antworten

Aus dem im Jahr 2017 veröffentlichten Bericht des Fast-Fashion-Konzerns geht unter anderem hervor, dass bis 2030 ausschließlich recycelte Materialien oder Materialien aus anderen nachhaltigen Quellen verwendet werden sollen. Dadurch entstünde eine Win-Win-Situation. Es werde verhindert, dass Ressourcen auf Mülldeponien landen, gleichzeitig werde der Verbrauch von neuen Rohstoffen reduziert, heißt es auf der Website. Das übergeordnete Ziel des Konzerns ist damit ein zirkuläres Modell.

Bereits jetzt sei es der H&M-Gruppe gelungen, recyceltes Polyester zu verarbeiten, welches der Menge von ungefähr 100 Millionen PET Flaschen entspreche, ist zu lesen. Und in der Tat: Der Bekleidungskonzern ist laut der Non-Profit Organisation „Textile Exchange“ auch der größte Abnehmer von nachhaltig produzierter Baumwolle. Außerdem gab es die erste nachhaltige Bademodekollektion und es wurde eine Absichtserklärung für existenzsichernde Löhne der ArbeiterInnen unterschrieben.
Auf den ersten Blick wirkt das alles sehr ambitioniert, und H&M muss auch etwas ändern. Es ist lange her, dass die Massen wegen einer Karl-Lagerfeld-Kollektion hysterisch in die Läden gestürmt sind. Zwar war die neue Moschino-Kollektion von Jeremy Scott, die er in einer Kollaboration mit H&M im November herausbrachte, nach wenigen Minuten ausverkauft, das ist aber vielleicht auch der erste Verkaufserfolg seit Langem, den das Unternehmen zu vermelden hat.
Der Konzern blickt auf ein unruhiges Jahr zurück: Es wurden Rassismusvorwürfe laut, und es gab einen massiven Shitstorm zu Beginn des Jahres, weil auf den Online-Kanälen des Konzerns ein dunkelhäutiges Kindermodel zu sehen war, das einen Pullover mit der Aufschrift „Coolest Monkey in the Jungle“ (auf Deutsch: Coolster Affe im Dschungel) trug. Die weltweiten Proteste kamen für den Konzern zur Unzeit, denn die Gewinne blieben schon seit Längerem hinter den Erwartungen zurück, die Aktie befand sich auf Talfahrt. In diesem Jahr gab es auch weniger Neueröffnungen, zudem schwächelt H&M im Vergleich zu Konkurrenten wie Zara im Onlinegeschäft. Das Konzept der trendigen, aber billigen Mode scheint für H&M nicht mehr aufzugehen.

So konkret die neuen Ziele des Konzerns auch sein mögen, so schwammig ist der Nachhaltigkeitsbericht: Vor allem in puncto Löhnen wurden konkrete Zahlen vermieden, und die angegeben Daten können nicht überprüft werden. Beispielweise ist unklar, inwiefern sich das „improved wage management system“ (übersetzt „verbesserte Lohnsystem“) des Konzerns in den Löhnen der ArbeiterInnen wiederspiegelt und wie sich der Lohn zu den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Produktionsland verhält.
Zwar zeichnet sich im Nachhaltigkeitsbericht eine Strategie mit dem Willen zur Veränderung ab, jedoch fehlen konkrete Angaben. Die H&M-Gruppe, zu der auch Marken wie COS, & Other Stories und Weekday gehören, will etwas verändern und will seine KundInnen dazu bringen, die Mode des Konzerns nicht als Wegwerfprodukt anzusehen. Es bleibt fraglich, wie das einem Unternehmen gelingen soll, das sich mit einer veränderten Strategie erst wieder neu auf dem Markt positionieren und das Vertrauen der KundInnen zurückgewinnen muss.

Einen tieferen Einblick in die nachhaltige Entwicklung bei H&M gibt Hendrik Heuermann, Sustainability Manager, auf den Nachhaltigkeitstagen der FAU. Wer sich für das Thema interessiert, sollte sich mit einer umgehenden Anmeldung unter  www.nachhaltigkeitstage-fau.de noch einen Platz in dem Workshop sichern.

Beate Laurenti, 1. FS
20. November 2018